La domination masculine

TitleLa domination masculine
Publication TypeJournal Article
Year of Publication1990
AuthorsBourdieu, P
JournalActes de la recherche en sciences sociales
Volume84
Issue1
Pagination2-31
Publication Languageeng
Abstract

Männliche Herrschaft. Dieser Versuch einer Analyse der männlichen Herrschaft, der Form symbolischer Herrschaft schlechthin, stützt sich auf ethnologisches Material aus der Kabylei. Die Gesellschaft der Kabylen, eine die Berbersprache sprechende Bergbevölkerung in Nord-afrika, hat insbesondere in seinen rituellen Praktiken, seiner Poesie und seinen mündlichen Überlieferungen ein System der Vision und Division lebendig gehalten, das der gesamten Mittelmeerwelt gemeinsam ist und auch heute noch in unseren mentalen und teilweise sozialen Strukturen vorhanden ist. Das Beispiel der Kabylei läßt sich mithin wie ein "vergrößertes Bild" behandeln, aus dem sich müheloser die grundlegenden Strukturen der männlichen Weltsicht herauslesen lassen. Ein erstes Ergebnis : Aufgrund des unmittelbaren Zusammenspiels zwischen zum einen den sozialen Strukturen, wie sie sich {z.B.} in der Organisation von Raum und Zeit oder in der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern niederschlagen, zum anderen den mentalen Strukturen oder, genauer, den in Korper und Gehirn eingeschriebenen Prinzipien der Vision und Division, setzt sich die Ordnung des Männlichen im Modus der Evidenz, als vollkommen natürlich, durch. Tatsächlichwenden die Beherrschten -im vorliegenden Fall die Frauen- auf alle Dinge dieser Welt und nicht zuletzt auf die Herrschaftsbeziehung, der sie unterliegen, und auf die Personen, vermittels deren diese Beziehung sich realisiert -also auch auf sich als Personen-, ungedachte Denkschemata an, die als Produkt der Inkorporation der Machtbeziehung in Form von Gegensatzpaaren (oben/unten, groß/klein usw.) diese Beziehungen vom Gesichtspunkt der Herrschenden aus kontruieren und als natürliche erscheinen lassen. Die symbolische Gewalt realisiert sich über einen Akt der Verkennung und Anerkennung, der sich aulkrhalb der Kontrolle des Bewußtseins und Willens, in der Dunkelheit des Habitus vollzieht. In der Sozialisierung wird eine Somatisierung der Herrschaftsbeziehung angestrebt. Zunächst durch soziale Konstruktion der Anschauung vom biologischen Geschlecht, die selbst einer umfassenden mythischen Weltsicht zugrunde liegt. Dann durch Einüben einer körperlichen Hexis, die durchaus als inkorporierte Politik zu sehen ist. Vermittelt über diese doppelte, geschlechtlich differenzierte und differenzierende Arbeit der Einübung bilden sich zwingend bei Mann und Frau unterschiedliche Dispositionen in bezug auf die am wichtigsten erachteten sozialen Spiele aus, als da sind (in der kabylischen Gesellschaft) : Ehrenund Kriegsspiele, mit denen sich am besten Männlichkeit demonstrieren läßt ; oder in den differenzierten Gesellschaften alle Spiele, die hohe Geltung genießen, Politik, Kunst, Wissenschaft usw. Diese Beziehung der urspünglichen Ausschlieftung läßt sich sehr gut an Virginia Woolfs Roman Die Fahrt zum Leuchtturm analysieren : In Unkenntnis äerillusio, die dazu verleitet, sich in den großen sozialen Spielen zu engagieren, sind die Frauen auch frei von der libido dominandi und von daher in der Lage, einen relativ luziden Blick auf die männliche Spiele zu werfen, an denen sie in der Regel nur stellvertretend teilnehmen. Erklärungsbedürftig bleibt der inferiore Status, der den Frauen nahezu universell zugewiesen wird. Hier muß die Asymetrie der Statusse in Betracht gezogen werden, die beiden Geschlechtern in der Ökonomie des symbolischen Tauschs zugeschrieben wird : Während die Männer Subjekte der matrimonialen Strategien sind, durch die sie ihr symbolisches Kapital zu erhalten oder zu mehren suchen, werden die Frauen immer als Objekte dieses Tauschs behandelt, zirkulieren darin als Symbole mit der Fähigkeit, Bündnisse zu schmieden. Auf diese Weise mit einer symbolischen Funktion versehen, sind sie gezwungen, standig an der Erhaltung ihres symbolischen Werts zu arbeiten, durch Anpassung an das männliche Ideal der weiblichen Tugend, Scham und Keuchheit, und Erwerb der körperlichen und kosmetischen Attribute zur Erweiterung ihrer physischen Ausstrahlung und ihres Charmes. Der Status als Objekt, der den F auen zugewiesen wird, la lit sich unzweideutig an der Bedeutung erkennen, den das mytischrituelle System der Kabylen ihrem Beitrag bei der Zeugung einräumt : Paradoxerweise wird die Schwangerschaft, diese genuine Arbeit der Frau, zugunsten der männlichen Intervention im Geschlechtsakt geleugnet. So bleibt auch in unseren Gesellschaften der privilegierte Part, den die Frauen bei der eigentlichen symbolischen Produktion -innerhalb wie aulkrhalb der Familieneinheit -spielen, verschleiert oder zumindest unterbewertet. Daraus folgt, daß eine Befreiung der Frau nur von einer symbolischen Revolution zu erwarten ist, die die Fundamente der Produktion und Reproduktion des symbolischen Kapitals selbst in Frage stellt, insbesondere aber die Dialektik von Prätention und Distinktion als der Grundlage der Produktion und Konsumtion der als Distinktionszeichen fungierenden kulturellen Güter.

URLhttp://www.persee.fr/web/revues/home/prescript/article/arss_0335-5322_1990_num_84_1_2947
DOI10.3406/arss.1990.2947
Short TitleLa domination masculine